4 Das Für und Wider der Todesstrafe

Ist die Todesstrafe eine gerechtfertigte Form der Bestrafung? Wie sollten Menschen überhaupt bestraft werden? Was bedeutet eigentlich Strafe?

Ist es in Ordnung, jemanden vorsätzlich zu verletzen oder gar zu ermorden und ergibt das Sinn?

Diese und weitere Fragen sind welche, mit denen sich wohl die wenigsten Menschen beschäftigen. Und doch sind es spannende und vor allem aus gesellschaftlicher Sicht wichtige Fragen, auf die man nur durch komplexe Betrachtung Antworten finden kann.

Im Folgenden werden dementsprechend zu der Thematik "Todesstrafe - gerecht oder schlecht?" nun ausführliche Argumente zu finden sein, die anhand von Straftheorien, Philosophen und Beispielen nähergebracht werden.

4.1 Betrachtung anhand von Straftheorien

Was sagt die Vernunft und was die Ethik zur Todesstrafe? Es heißt doch, die Würde des Menschen ist unantastbar, doch wo hört sie auf?

Aus Vernunft und Ethik wurden Straftheorien entwickelt, welche eine hervorragende Grundlage für die genauere Betrachtung der Todesstrafe liefern. Eine der wahrscheinlich zentralsten Fragen ist, ob die Todesstrafe der Vergeltung oder der Prävention dient.

Genau in diese beiden Ziele werden die zwei Straftheorien unterteilt.

 

            absolute Straftheorie

Die erste Theorie, mit dem Ziel der Vergeltung, nennt man absolute Straftheorie. Der Grund für die Bestrafung liegt in der Vergangenheit und selbst wenn eine Strafe keinen sozialen Nutzen hat, wird sie durchgeführt. Die absolute Straftheorie wird von der Theorie unterstützt, die besagt, dass jedem das widerfahre, was seine Taten wert sind. Das heißt, wer ermordet, muss selbst ermordet werden. Wer schlägt, wird selbst geschlagen.
Außerdem wird diese Straftheorie durch den Utilitarismus vertrete. Jener besagt, dass eine Handlung moralisch richtig ist, wenn sie den Gesamtnutzen bzw. das Gemeinwohl maximiert. Für die Todesstrafe würde das bedeuten, dass der Täter ermordet wird, um die Gesellschaft vor einem erneuten Mord seinerseits zu schützen, doch später mehr dazu. Auch Immanuel Kant unterstützt diese Theorie.

relative Straftheorie

Die andere Theorie, mit dem Ziel der Prävention, nennt man relative Straftheorie. Wie der Name schon sagt, werden dabei Bestrafungen durchgeführt, um künftige Delikte zu verhindern. Der Zweck der Strafe, liegt allein darin, eine Wiederholung der Straftat zu verhindern.

Die Prävention wird abermals unterteilt in Generalprävention und Spezialprävention. Bei der Generalprävention wird eher auf das gesamte Volk geachtet, als auf den Täter. Die Gesellschaft wird zu allgemeinem Rechtsgehorsam motiviert, gewarnt und vor Straftaten abgeschreckt.

Bei der Spezialprävention wird vorgesorgt, dass der Täter nicht erneut straffällig wird. Vorsorge wird durch Erziehung, Resozialisierung und individuelle Abschreckung betrieben. Cesare Beccaria kann als Unterstützer der relativen Straftheorie genannt werden.

 

Es sprechen triftige Gründe für die relative Straftheorie. Die Belastung der Psyche, ist doch eine viel größere Strafe, als die Todesstrafe selbst.

Der Täter hat durch die Todesstrafe keine psychische Belastung mehr und ist keinen Gewissensbissen ausgesetzt. Die Belastung der Psyche und die Beschneidung der Freiheit hat eine enorme Auswirkung auf das Gemüht des Menschen. Ein weiterer Punkt ist die Dauer der Strafe.

Durch die Todesstrafe wäre der Täter doch nicht auf lange Sicht belastet, denn er stirbt und hat dann kein Leiden mehr. Doch der langanhaltende Druck und die ständige psychische Belastung, haben eine viel größere Auswirkung auf den Täter, als die Todesstrafe selbst. Also wäre der Täter mehr durch die relative Straftheorie bestraft, als durch die absolute. Die Vorstellung, dass man selbst so bestraft und gequält werden könnte, löst eine viel größere Angst und Vorsicht aus, als der Tod. Jedoch stellt sich immer noch die Frage, ob die Todesstrafe berechtigt ist, oder nicht.

Saddam Hussein

Am Beispiel Saddam Husseins, dem ehemaligen Staatspräsidenten des Iraks, lässt sich dies gut erläutern. Er war ein Massenmörder, er ließ tausende Menschen foltern und töten. Angesichts dieser Taten, sprach nichts gegen seinen Mord, selbst die sonstigen Einwände gegen die Todesstrafe nicht. Argumente, dass der Täter unmenschlich leide, man nur den Rachegedanken verfolgt und dass somit keine potenziellen Täter abgeschreckt werden, waren nicht mehr bedeutsam. Außerdem wäre die Todesstrafe eine unumkehrbare Tat, selbst wenn die Justiz falsch verurteilt hat. Von Beginn an sollte Hussein ermordet werden, denn er war der Schuldige für das Unglück im Land. Sein Tod beruhigte die Lage im Land aber nicht, sondern die Gewalt setzte sich schneller und grausamer fort als zuvor. Durch die Todesstrafe stellt das Land seine eigene Legitimation infrage, und zwar die, das Leben zu schützen. Die Achtung des Lebens und die Menschenwürde werden durch diese Art der Bestrafung verletzt, doch beides sollte vor allen Gesetzen stehen. Dem Hinzurichtenden wird durch den Tod seine Würde genommen. Von den Irakern, deren Würde nie geachtet wurde, wäre es also lobenswert gewesen, den Mut/Umbruch aufzubringen, den Präsidenten leben zu lassen.

 

Die Abschaffung der Todesstrafe ist ein großer gesellschaftlicher Erfolg und bei jeder Person sollte gleichermaßen auf die Anwendung der Todesstrafe verzichtet werden.

- Beckmann, Felix von Lehmden, Boris Schwitzer: Leben leben. Ernst Klett Verlag, Stuttgart 2016. ISBN 978-3-12-694040-5 (02.02.19/ 15.23 Uhr)

 

verfasst von CH

4.2 Betrachtung anhand der Positionierung zweier Philosophen

Immanuel Kant

Immanuel Kant, ein berühmter Philosoph zu Zeiten der Aufklärung, sprach sich 1797 in "Die Metaphysik der Sitten" für die Notwendigkeit der Todesstrafe aus. Er stellte die Frage auf, nach welchem Maßstab sich die öffentliche Gerechtigkeit richten sollte und welcher Grad der Bestrafung der angemessene bei einer Tötung oder einem Mord sei. Er stellte die These auf, dass ein richterlicher Beschluss auf dem Prinzip der Gleichheit basieren muss, aus welchem folgt: "Was für unverschuldetes Übel du einem anderen im Volk zufügst, das tust du dir selbst an. (...) Tötest du ihn, so tötest du dich selbst." (Kant, B 227)

 

Er argumentiert für die Wiedervergeltung, da nur sie die Qualität und Quantität der Straftat widerspiegeln könnte. Andere Bestrafungen würden durch Rücksichtsnahmen immer milder ausfallen, denn kein Ersatz kann der reinen Gerechtigkeit Befriedigung erweisen. Es existiert keine Gleichheit zwischen einem Leben, egal wie leidend es weitergelebt wird, und dem Tod. Es kann also auch keine Gleichheit zwischen einem Mord und der Strafe geben, wenn diese Strafe kein richterlicher Beschluss ist, der den Täter zum Tod verurteilt. Kant sieht den Tod dabei nicht zwangsläufig als eine Bestrafung, sondern auch als eine Befreiung des Täters von all den Misshandlungen, die ihn zu dem Mörder gemacht haben, der er ist.

 

Weiterhin schrieb Kant, dass die Todesstrafe selbst dann durchgeführt werden müsste, wenn sich ein Volk vollkommen auflösen sollte, damit jedem seine gerechte Strafe widerfährt. Sollte dies nicht der Fall sein, dann trägt die Blutschuld, die Schuld an den folgenden Taten des Mörders, das Volk. Dies wird nach Kant als eine öffentliche Verletzung der Gerechtigkeit betrachtet. Jenes Argument bekräftigt, dass die Todesstrafe nicht nur zum Wohle des Volkes dienen soll, sondern alleine der Gerechtigkeit selbst. An einem Beispiel wirft er die Vorstellung auf, dass es absurd wäre, wenn im höchsten Gericht die Strafe für einen Mord wie folgt gesprochen werden würde: "Ein jeder soll die Freiheit der Wahl zwischen dem Tode und der Karrenstrafe (Zwangsarbeit) haben." (Kant, B 230) Nach Kant wählt der ehrliche Mann den Tod, denn dieser schätzt seine Ehre höher als das Leben. Der Schelm wählt die Karren, denn für ihn ist ein Leben, von Schande befleckt, besser als gar nicht am Leben zu sein.

Zusammengefasst bestehen Kants Argumente für die Gerechtigkeit der Todesstrafe daraus, dass nur sie die Gerechtigkeit ohne Verzerrung widerspiegeln kann. Der Tod kann für einen Mörder Ehre und Erlösung bedeuten und ist für die Wiederherstellung der Gerechtigkeit bedeutsamer als für den Schutz der Allgemeinheit.

 

Albert Camus

Albert Camus, ein bekannter Schriftsteller und Philosoph des 20. Jahrhunderts, vertrat eine andere Meinung zum heiklen Thema der Todesstrafe.

Er schrieb in seinen "Betrachtungen zur Todesstrafe" über den barbarischen Charakter dieser. Camus stellt die These auf, dass die Strafe, die nicht verhütet, also nicht präventiv vorgeht, nicht mehr als Rache und Vergeltung ist. Er untermauert dies, indem er zusätzlich anführt, dass der Wille nach Vergeltung eine automatische Reaktion des Menschen ist, wenn ihm etwas Ungerechtes zustößt. Ähnlich wie in Kants Auseinandersetzung schreibt er dazu: "(…) Wer mir ein Auge ausgestochen hat, soll ein Auge verlieren; wer getötet hat, soll sterben." (Camus, S. 123)

Diese Sehnsucht nach Rache ist nach Camus ein Gefühl, ein natürlicher Trieb des Menschen, aber kein Grundsatz. Gesetze basieren allerdings nicht auf Gefühlen, oder Trieben, sie sind nicht dafür geschaffen, um die Natur nachzuahmen, oder ihr eine Legitimation zu geben.

Die Todesstrafe, als ein Akt der Rache, lässt sich somit nicht mit dem Verständnis von Gesetzen vereinen.

An einem Beispiel wird angeführt, dass man sonst gesetzlich das Haus eines Brandstifters niederbrennen könnte.

 

Eines von Kants wichtigsten Argumenten war es, dass nur die Gleichheit, welche die Todesstrafe bringt, für Gerechtigkeit sorgen kann.

Camus meint wiederum, dass eine Hinrichtung mit einem Tod, bzw. dem begangenen Mord ebenso vergleichbar wäre, wie ein Konzentrationslager mit einem Gefängnis. Man beginge mit der Hinrichtung des Mörders nicht nur einen erneuten Mord, sondern zudem einen geplanten, organisierten und dem Straffälligen im Voraus bekannten Mord. Es ist vorauszusehen, dass dies nicht ohne seelische Qualen vonstatten gehen kann.

Dies stellt ein Leid dar, welches den bereits begangenen Mord übertrifft. So muss der Verurteilte monate- oder jahrelang auf seinen Tod warten.

Es handelt sich also um keine gleiche und demzufolge gerechte Strafe.

 

Camus führt an, dass man mit der Todesstrafe einen doppelten Mord begeht. Diese Behauptung stützt sich nicht auf die Aussage eines Verurteilten aus Fresnes: "Wissen, dass man stirbt, ist nichts. Nicht wissen, dass man leben wird, das ist das Grauen und die Qual." (S. 126)

Camus untermauert die Qualen vor der Todesstrafe, durch das Erzeugen von Hoffnung durch Wärter, Anwälte und Gefängnisgeistliche, dass der Gefangene womöglich begnadigt wird. Sämtliche Augenzeugen konnten zudem feststellen, dass sich durch eine andauernde Angst die Hautfarbe der Verurteilten verändert. Jenes Warten auf die Hinrichtung bezeichnet er als den ersten Tod, der vor der Hinrichtung erfolgt.

Unter diesem Gesichtspunkt widerruft Camus beinah seine erste Annahme, denn selbst die sofortige Vergeltung scheint nicht so schlimm zu sein, wie die langwierige Todesstrafe. So schreibt er: "Sie (die Vergeltung) wenigstens hat nie verlangt, man müsse einem Menschen, der seinem Bruder eines Auges beraubt hat, beide Augen ausstechen." (Camus, S. 130)

 

Alles in allem argumentiert Camus gegen die Todesstrafe, indem er meint, dass diese nicht mit dem Gesetz vereinbar sei. Kant wiederum setzt das Wohl der Gesellschaft nie als das Ziel dieser Strafe fest, sondern sah sie als die Widerherstellung der Gerechtigkeit.

Camus wusste dieses Argument zu entkräften, indem er anführte, dass Mord und Todesstrafe nicht gleichwertig sein. Er geht so weit und bezeichnet die Todesstrafe als einen doppelten Mord am Mörder, der nicht einmal im Sinne der Vergeltung vertretbar wäre.

- Beckmann, Felix von Lehmden, Boris Schwitzer: Leben leben. Ernst Klett Verlag, Stuttgart 2016. ISBN 978-3-12-694040-5 (02.02.19/ 15.23 Uhr)

 

verfasst von ND

4.3 Betrachtung anhand des Utilitarismus

Hans-Ludwig Schreiber

Hans-Ludwig Schreiber, ein Professor für Straf- und Strafprozessrecht, schrieb 2006 in seinem Buch "Todesstrafe" über die utilitaristische Rechtfertigung dieser. Der Utilitarismus beschreibt eine Philosophie, die das Prinzip verfolgt für die größtmögliche Anzahl von Personen den größtmöglichen Nutzen zu erzielen. Die Gesetze gegen Strafdelikte beeinflusst dies in dem Sinne, dass die Strafe größer Ausfallen soll, als der mögliche Nutzen der Straftat. Eine möglichst abschreckende Strafe wie die Todesstrafe für einen Mord sei somit also gerechtfertigt, um die Gesellschaft vor Wiederholungstaten zu schützen. (Schreiber, S. 328)

 

Cesare Beccaria

Cesare Beccaria, ein Rechtsphilosoph und Strafrechtsreformer im Zeitalter der Aufklärung, meinte in seinem Buch "Von den Verbrechen und von den Strafen" zum Thema "Nutzlosigkeit der Todesstrafe" Folgendes: Sie kann nicht aus demselben Recht stammen, aus der auch Gesetze und Souveränität entstehen. Recht ist nämlich die Summe aller einzelnen Willen, also der kleinste Anteil einer persönlichen Freiheit, die sich zusammen zu einem gemeinsamen Willen ergeben. Es ist demzufolge also nicht möglich, dass die Todesstrafe ein gemeinsamer Wille des Volkes ist, wenn keiner von einem Anderen getötet werden will. Ähnlich argumentierte auch Camus, der meinte, dass die Todesstrafe der grundlegenden Vorstellung eines Gesetzes widerspricht.

 

Beccaria stellt daraufhin die These auf, dass eine lebenslängliche Freiheitsstrafe alle nötigen Voraussetzungen aufweist, um die Todesstrafe zu ersetzten. Seine Argumente sind, dass es nicht die Härte der Strafe ist, die sie schrecklicher macht, sonder ihre Dauer. Kein kurzzeitiger, noch so heftiger Impuls prägt das menschliche Gemüt so sehr wie ein dauerhafter Zustand. Er bezeichnet dies auch als Macht der Gewohnheit, die durch ständige Anstöße des Bewusstseins eine moralische Vorstellung erzeugen kann, die dem Täter zuvor womöglich fehlte. Der lebenslängliche Freiheitsraub sei zudem schrecklicher als die Tötung, weil er eine Auseinandersetzung mit seinen Taten und sich selbst voraussetzt und außerdem für den Menschen deutlich greifbarer ist als der Tod. Der eigene Tod erscheint einem als etwas weit Entferntes, was im Moment der Tat nicht für Abschreckung sorgen kann. Laut Schreiber und der utilitaristischen Rechtfertigung der Todesstrafe wäre Abschreckung bereits ein erreichtes Ziel um die Allgemeinheit zu schützen.

 

Mit seinem letzten Argument, um seine These zu untermauern, widerspricht er Kant allerdings deutlich.

So meint er, dass die Strafe lediglich den Intensitätsgrad beinhalten muss um Abzuschrecken, nicht aber um zu bestrafen. Dann sei sie gerecht.

- Beckmann, Felix von Lehmden, Boris Schwitzer: Leben leben. Ernst Klett Verlag, Stuttgart 2016. ISBN 978-3-12-694040-5 (02.02.19/ 15.23 Uhr)

 

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